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Dr. Wilfried Scholten
"Die heute im Lokale Brinkmann (Scherpenberg) stattfindende Versammlung des Mittelstandes, der Hausund Grundbesitzer, der Mitglieder des Einzelhandels, der Handwerker und sonstigen Bürger der Stadt Moers protestieren gegen die einseitige Stellungnahme der Verbände der Stadt Moers ...die ... den jetzigen Bahnhof (in Moers) als Zentralbahnhof vorschlugen. Wir erklären hiermit, dass wir (Scherpenberger) als Moerser Bürger nicht damit einverstanden sind ...
Wer die Bahnhofsfrage vom großzügigen städtebaulichen Gesichtspunkt betrachtet, für den gibt es nur eins, das ist das alte Projekt, zu welchem früher die Verwaltung der Stadt und auch sämtliche Bürger standen, der Bahnhof Hochstraß“ (10.7.1926).
Die Entschließung, die die Scherpenberger auf der Protestversammlung am Freitag, den 9.7.1926 verfassten, betraf ein Vorhaben, mit dem die meisten Scherpenberger ihre wirtschaftliche Zukunft verbanden. Es ging dabei um den erhofften neuen Zentralbahnhof an der Homberger Straße im Schnittpunkt der elektrischen Straßenbahn Moers Homberg (1908) und der Güterstrecke Oberhausen Hohenbudberg (1912). In der Mitte zwischen Homberg und Moers, aber auf Moerser Gebiet gelegen, sollte er dem dünn besiedelten Stadtteil nicht nur zum wirtschaftlichen Aufschwung verhelfen, sondern ihn auch an den überregionalen Personenfernverkehr anbinden. Die Verbindung beider Ortschaften war durch die Straßenbahn Moers-Homberg gewährleistet.
Dieses Projekt wurde in den ersten Jahren von Moers, vom Kreis und seinen Gemeinden getragen, scheiterte aber immer wieder daran, dass die Reichsbahn einen Personenverkehr auf der Güterstrecke über die Knippbrücke nicht zuließ.
Auch die Stadt Moers hatte sich den Forderungen der Denkschrift des Kreises aus dem Jahr 1921 angeschlossen – „vielleicht auch in der Hoffnung einer baldigen Vereinigung mit Homberg“ (Baurat Mangold). Zudem schien eine Erweiterung des Moerser Staatsbahnhof nicht möglich, und die Knippbrückenstrecke weckte Hoffnungen auf den Anschluss an den Fernverkehr, an Eilund Schnellzüge. Für einen Zentralbahnhof in Hochstraß sprach ebenfalls, dass das für die Erweiterungsbauten erforderliche Gelände zwischen Moers und Homberg noch unbebaut, und damit die Möglichkeit einer „städtebaulichen Ausgestaltung“ gesichert war.
Nichts erinnert heute noch an denn Standort des geplanten neuen Zentralbahnhofs in Scherpenberg, mit dem sich nach Ansicht der Befürworter so viele Vorteile kommunalpolitischer, städtebaulicher, wirtschaftlicher und verkehrstechnischer Art verbanden. Es ist die heutige „Kaiserwiese“, auf der seit 7 Jahren das Scherpenberger Wappenfest stattfindet. Die Straßenbahn Moers-Homberg-Ruhrort fährt seit Jahrzehnten nicht mehr, die kreuzende Güterstrecke von der Knippbrücke bis zur Anschlussstelle in Asberg ist seit Ende der 1960er Jahre aufgelassen, Bahndamm und Brückenbauwerke sind abgetragen.
Die ehemalige Trasse ist aber heute noch als Grünzug in Hochstraß und Asberg (Am Pandickhof, Kronprinzenstraße) erkennbar.
Nach dem Erscheinen der Denkschrift 1921 wuchs auf Moerser Seite die Skepsis an dem Vorhaben „Zentralbahnhof Hochtstraß“. Seit Mitte der 1920 er Jahre war an eine kommunale Vereinigung von Homberg und Moers sowie an ein städtebaulich attraktives Zentrum zwischen den beiden Städte nicht mehr zu denken. Darüber hinaus ließen sich nach der in Aussicht gestellten Hochlegung des Staatsbahnhof alle wichtigen Bahnlinien problemlos auch an die Moerser Station heranführen, so dass auf eine kostspielige Verlegung nach Scherpenberg verzichtet werden konnte. Außerdem war der Königliche Hof als Verkehrszentrale der Stadt Moers weit von dem geplanten Zentralbahnhof Hochstraß entfernt und wichtige öffentliche Einrichtungen hatten in Moers ihren Standort gefunden.
So lag es nahe, dass die Moerser Stadtverordneten sich entgegen früheren Beschlüssen gegen den Zentralbahnhof Hochstraß aussprachen und damit den heftigen Protest des Kreises und der Kreis Moerser Gemeinden auslösten (1926).
Mit der Antwort der Reichsbahn auf die zweite Denkschrift des Kreises Moers (1925) waren allerdings die Würfel für den Staatsbahnhof Moers und seinen beschleunigten Ausbau bereits gefallen. In diesem Schreiben wurde der seit Jahren geforderte Personenverkehr über die Knippbrücke in Aussicht gestellt, allerdings nicht über Hochstraß, sondern über eine bei Utfort herzustellende Verbindungskurve nach dem Personenbahnhof Mörs (1926). Seit 1927 war sie im Bau.
Am 14. Mai 1929 war es dann so weit: die über die Knippbrücke führende Personenverbindung OberhausenMoers wurde in Betrieb genommen. Die Hoffnung, endlich an den nationalen Fernverkehr angeschlossen zu werden, erfüllte sich jedoch nur in den ersten Jahren. Heute sind es nur noch Güterzüge, die von Moers aus über Utfort und die Knippbrücke ins westliche Ruhrgebiet fahren.
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Dr. W. Scholten: Moers zu Kaisers Zeiten, Moers 2013, S. 128 ff; ergänzt 2017