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Die Einweihung der neuen Schule an der Cecilienstraße
Von Dr. Wilfried Scholten
ms. 16.6.1908. Kommt man von Moers über Hochstraß nach Scherpenberg, so liegt rechter Hand an der Cecilienstraße die neue evangelische Schule. Sie besteht aus Haupt- und Nebengebäude, die durch einen sehr geräumigen Hof getrennt sind. Das Ganze umgibt eine rote Mauer mit Eisengitter-Aufsatz.
Im Hauptgebäude befindet sich das Schulportal mit dem darüber angebrachten Stadtwappen. Man tritt zunächst in einen Vorplatz, der durch eine Türe (Windfang), über welcher sich der Spruch befindet: „Lasset die Kindlein zu mir kommen“, von dem Korridor des ersten Stockes getrennt ist. Hell und luftig sind die 5 Klassen, die sich in jedem Geschoß befinden.
Die Einrichtung der Schulzimmer ist sehr einfach, aber sehr zweckentsprechend. Die Neuendorff’schen Bänke mit ihren umlegbaren Sitzen scheinen für die Körperhaltung der Kinder sehr angemessen zu sein. Der Fußbodenbelag besteht aus Korkestrich, der den Schritt bekanntlich so dämpft, dass fast ein lautloses Gehen möglich ist. Drei hohe Fenster geben volles Licht linksseitig. Ventilationen und Heizkörper mit Verdampferschale werden ihren Zweck vollkommen erfüllen. Zum Unterbringen der Lehrmittel ist ein Schrank in die Wand eingelassen.
Die Kleiderablage befindet sich auf dem Flur. Ebendasselbe sind in einer Nische Wandbrunnen eingelassen aus poliertem Granit, seitwärts abgegrenzt durch Porzellanplatten.
Der Fußboden besteht aus Mettlacher-Mosaikplatten. Die Treppen bilden Eisenbetonkonstruktionen, die einzelnen Stiegen sind mit Trachytplatten abgedeckt. Sehr zweckmäßig sind an den Geländern die eisernen Schutzvorrichtungen, die das beliebte „Herabrutschen“ verhindern.
Das Treppenhaus ist vorzüglich hell gehalten und präsentiert sich in seiner geräumigen Anlage äußerst vorteilhaft.
Im Obergeschoß befindet sich noch das Zimmer des Rektors bzw. das Lehrerkonferenzzimmer.
Nach dem Hofe schließt sich, vom Treppenflur aus durch jeden Korridor zugänglich, die Lehrerwohnung an, die außerdem noch einen besonderen Eingang von der Straße aus hat. Sie besteht aus einem geräumigen Vorflug, der als Diele (Garderobe-Ablage) gut zu verwenden ist, sowie aus Küche, 2 Wohnzimmern, 2 Schlafzimmern, einem Arbeitszimmer, 2 Kammern, einem Raum zur Unterbringung von Besen, Eimern usw. sowie einem bequemen Speicher. Das Treppenhaus-Dach ließe sich eventuell gut als Veranda benutzen. Über der Wohnung befindet sich noch ein großer Bodenraum, der sich leicht durch Verschläge noch in 2 Kammern umwandeln lässt.
Auf alle Fälle kann der demnächstige Benutzer der Wohnung wirklich damit zufrieden sein. Licht und Luft, Platz und Bequemlichkeit sind in reichem Maße vorhanden, von den Fenstern bietet sich ein schöner, freier Ausblick, sodass die Räumlichkeiten nach des Tages Arbeit ein gemütliches Heim darstellen können.
Das Kellergeschoss, welches in Wohngeschosshöhe gehalten ist, birgt die Räume für die Haushaltungsschule. In der Mitte befindet sich die Garderobe, rechts davon liegt die Haushaltungsschule mit der Küche, links das Nähund Bügelzimmer. Ferner liegt hier der Raum für die Kessel der NiederdruckDampfheizung sowie die Wohnung für den Schuldiener. Sie weist Küche und drei große Räume auf, hat auch einen besonderen Eingang von der Straße aus.
Über dem großen Schulhof, der für spätere Anbauten reichlich viel Platz vorsieht, und auf dem sich die Turngeräte befinden, gelangt man zum Nebengebäude. Durch den vierstöckigen Steigerturm, der aber architektonisch so gehalten ist, dass er nicht nüchtern wirkt, gelangt man in das Spritzenhaus sowie die Polizeistation. Im Geräteraum, dessen eine Wand der Spruch ziert: „Wenn ruft die Pflicht, dann säume nicht“, finden 3 Spritzen, 2 Wasserwagen sowie ein Gerätewaden Aufstellung. Durch einen Gang gelangt man zum dem Haftlokal, das aus drei Zellen sowie Waschraum besteht.
Im 1. Stock sind ein Wartezimmer, das Dienstzimmer für den Kommissar, sowie dessen Privatwohnung, bestehend aus Küche und zwei hellen, geräumigen Wohnzimmern. Im zweiten Stock liegen noch drei Schlafzimmer, sowie ein zweckmäßig eingerichteter Speicher. Wasserleitung und elektrische Leitung gehen bis in diesen Stock hinauf. Rückseitig befindet sich der Eingang zu diesen Räumen der Polizeistation.
In dem seitlichen Anbau befinden sich die getrennten Aborte für Knaben und Mädchen.
Rings um den Schulhof, aber innerhalb der Einfriedung, liegt etwas Gartenland, das für den Kommissar, Rektor und Schuldiener bestimmt ist.
Betrachtet man den Bau in seiner Gesamtheit, kann man wirklich behaupten, das wieder ein Werk geschaffen wurde, das der Baukunst in Moers alle Ehre macht. Kein Gebot der modernen Hygiene ist außer Acht gelassen, geradezu verschwenderisch ist man bei der Verteilung der lichtspendenden Fenster zu Werk gegangen, auch an Platz wurde nirgends gespart. Das kasernenmäßige, tote Bild, das sonst solchen Bauten leicht anhaftet, ist mit Geschick und Geschmack vermieden worden.
Hoffentlich werden die Kinder, die in diesen schönen, lichten Räumen ihre Schulzeit verbringen dürfen, auch für ihr späteres Leben hier einen reichen Schatz an Wissen sammeln, damit die aufgewendeten Kosten auf diese Weise reiche Zinsen tragen zum Wohle des Einzelnen sowie zum Heile der Gesamtheit.
ms. 17.6.1908. Ende Juni d. J. wurde der erste SpatensFtioctoh: CfhürirstidanieVonigteue Schule getan. Wenn man die Länge der Bauzeit bei ähnlichen Bauten in Betracht zieht, so muss man dem Erbauer dieses umfangreichen Gebäudes, Herrn Stadtbaumeister Bruno Rothe, volle Anerkennung zollen für die tatkräftige und umsichtige Leitung, die in der verhältnismäßig kurzen Zeit von knapp einem Jahr das Werk zur Vollendung brachte.
Bemerkt sei noch, dass an der Straßenseite des Nebengebäudes die Inschrift sich befindet: „Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr, Abteilung 3“.
Gegen halb sechs begann die eigentliche Feier der Einweihung, zu der außer dem Bürgermeister, Schulrat Reimer, Pastor Melchior, der Lehrerschaft und einigen Stadtvätern sich die meisten Lieferanten und und Handwerksmeister sowie verhältnismäßig wenige Eltern der Schulkinder eingefunden hatten.
Wie wir hören war Landrat von Laer durch eine unerwartete dienstliche Inanspruchnahme verhindert, anwesend zu sein. Ebenso war es mit der Geistlichkeit, soweit sie überhaupt nicht ihre Ferienreise angetreten hat.
Eingeleitet wurde die Feier durch den Gesang von Mädchen und Knaben „Lobe den Herren“; Lehrer Nesbach dirigierte den Chor, der in einwandfreier Weise zu Gehör kam.
Dann übergab Stadtbaumeister Rothe den Schlüssel mit dem Wunsche, dass alle Zeit Gottesfurcht, Vaterlandsliebe und Königstreue in den Räumen gelehrt, gelernt und hochgehalten werden möge.
Bürgermeister Craemer übernahm als Vertreter der Stadt Moers den Schlüssel mit den besten Wünschen für die Zukunft der neuen Schule.
Die Festteilnehmer betraten dann die festlich mit Girlanden, blühenden Blumen und Blattpflanzen geschmückten Innenräume.
Bürgermeister Craemer begrüßte dort in einem Klassenzimmer mit warm empfundenen Wort die Erschienenen und gab einen kurzen Rückblick auf die letzten 8 Jahre. Die Stadt habe in dieser Zeit 8 neue Schulen erbaut, abgesehen von den vielfachen Erweiterungsbauten schon bestehender Schulgebäude. Es sind dies drei zweiklassige, 2 vierklassige, 1 siebenklassige, 1 achtklassige und jetzt diese zehnklassige Schule. Redner gedachte dannen ehrender Anerkennung des Erbauers, dass Stadtbaumeisters Rothe und seines Assistenten, sowie sämtlicher Unternehmer, Meister, Handwerker und Arbeiter, die in treuer Mitarbeit an der Vollendung des neuen Gebäudes mitgewirkt haben. Allen sprach er namens der Stadt Moers seinen verbindlichen Dank aus, da sie das Beste geleistet haben, was möglich war.
Weiter verbreitete sich Bürgermeister Craemer über die Notwendigkeit, solch einen Bau, der 120 000 Mark gekostet habe, errichtet zu haben. Es handle sich dabei auch um die Erfüllung eines gegebenen Versprechens. Dann ging Redner zur Besprechung der Lehrerverhältnisse über und gab seine Freude darüber Ausdruck, dass unter der Lehrerschaft ein gutes, kollegiales Einvernehmen herrsche. Hoffentlich bleibt diese zum Segen der Schule und zum Wohle der Lehrer selbst auch in Zukunft bestehen.
Den Kindern, denen es vergönnt ist, in diesen schönen Räumen ihre Schulzeit zu verbringen, legte der Redner besonders ans Herz, ihre Dankbarkeit der Gemeinde gegenüber, die für die solch große Kosten Aufsicht genommen habe, dadurch zu beweisen, dass sie stets durch Fleiß, gesittetes Betragen und Gehorsam den Lehrern und Eltern gegenüber sich auszeichneten.
Mit dem Wunsche, dass Gottes Segen immerdar auf der Schule und allen, die in ihr wirken, ruhen möge, schloss Bürgermeister Craemer seine zu Herzen gehende Ansprache.
Nachdem Gesang der letzten Verse des Liedes „Lobe den Herrn“, welche die Kinder wieder unter der Leitung des Lehrers Nesbach sehr schön vortrugen, nahm Schulrat Riemer das Wort zu einer längeren Rede, die von tief religiösem Gefühl getragen war. Der Behörde und dem Stadtverordnetenkollegium gebührt Dank, für die Bereitwilligkeit, solch große Opfer an Geld freudig geleistet zu haben, sobald es sich um das Wohl des heranwachsenden Geschlecht handle. Die Überschrift, die über dem Eingangstor heute prange, „Gott zur Ehr, der Jugend zur Lehr“, könne noch dahin ergänzt werden „allen Bösen zur Wehr“. Mit besonderer Freude erfülle es ihn, am heutigen Festtage dem neuen Leiter der Schule, dem bisherigen Hauptlehrer, jetzigen Rektor Götting seine herzlichsten und besten Wünsche für sein schweres Amt darbringen zu können.
Seinen weiteren Ausführungen, die dem neuen Rektor galten, legte Redner das Wort des Königs David aus Psalm 86, Vers 11 zugrunde: “Weise mir, Herr, Deinen Weg usw. Wenn sich Herr Ködding stets bewusst bleibe, dass er auch Gott gegenüber verantwortlich sei für sein Tun und Lassen und für das Heil der ihm und seiner Fürsorge anvertrauten Kinder, dann könne er getrost im Hinblick auf die Kraft aus der Höhe seine Würde und neue Bürde auf sich nehmen. Gut sei es, wenn er mit Besorgnis sein verantwortungsreiches Amt auf sich nehme, die schlechtesten Menschen seien es nicht, die sich wie König David vor ihrem Gott in Demut beugten und um seine Hülfe und seinen allmächtigen Beistand bäten.
Nachdem Schulrat Riemer die Bestallungsurkunde der Kgl. Regierung, nach welcher Herr Ködding vom 1. Juni 1908 ab endgültig zum Rektor einer Volksschule in Moers ernannt wird, verlesen hatte, schloss er mit einem innigen Dankund Bittgebet seine wirkungsvollen Ausführungen.
Pastor Melchior sprach namens der evangelischen Kirchengemeinde eine herzliches „Gott zum Gruß“ an die Stadtgemeinde, Schule und Herrn Ködding. Am hiesigen Seminar sei die Inschrift angebracht: „Einer ist Euer Meister, Christus“. Derselbe Geist solle und möge auch hier herrschen. Mit Befriedigung könne er feststellen, dass bisher der Geist der Gottesfurcht, Königstreue und Vaterlandsliebe stets hier gewaltet habe, mit Gottes Hilfe werde es auch fernerhin so bleiben.
Lehrer Nesbach – eigentlich müssten wir schon Hauptlehrer sagen – begrüßte namens des Lehrerkollegiums den neuen Rektor und brachte die besten kollegialen Wünsche dar für seine Ernennung sowie für die seiner Obhut anvertraute neue Schule. Er hoffe, dass der derzeitige Rektor stets ein tüchtiges Lehrerkollegium und gute folgsame Schüler finden werde. Durch ihn gebe die Lehrerschaft das feierliche Versprechen, stets Schulter an Schulter stehen zu wollen.
Rektor Ködding dankte allen vorhergehenden Rednern sowie der Stadtdeputation und den Stadtverordneten in bewegten Worten. An seinem heutigen Ehrenund Freudentag gebe er die Versicherung, dass er das Wort „diene, wo du kannst“ stets beherzigen werde und die feste Absicht habe, nicht nur den Schülern, sondern auch der Gemeinde das vorzuleben, was in dem Gebot enthalten sei: Bete und arbeite! An die Kinder richtete er die ernste Mahnung, stets ihre Pflichten zu erfüllen, um auf diese Weise ihre Dankbarkeit zu beweisen, dass sie in solch schönem Hause ihre Schulzeit verbringen dürften. Den Lehrern wollte er alle Zeit ein treuer Kollege sein in pflichtbewusster Mitarbeit.
Mit dem Gesang der Kinder unter der Leitung des Lehrers Nesbach „Herr, Deine Güte reicht so weit“, schloss die offizielle Feier, der sich unter Führung des Stadtbaumeisters Rothe ein Besichtigungsrundgang durch die Schule anschloss.
Die Nachfeier im Zelte von Kühnemann fand ebenfalls nicht den zahlreichen Besuch, den man hätte erwarten dürfen. Leider war es den Vertretern der Presse, obgleich sie sich rechtzeitig Plätze belegt hatten, die aber zu Beginn der Nachfeier irrtümlich von Anderen besetzt wurden, nicht möglich, von ihrem entfernten Platz aus die verschiedenen ernsten und launigen Reden so zu verstehen, dass eine Berichterstattung darüber möglich ist.
Lehrer Nesbach ließ die Kinder noch verschiedene Lieder singen, ebenso sangen die anwesenden „Großer Gott, wir loben dich“ sowie einige patriotische Lieder nach einem aufliegenden Textblatt.
Rektor Ködding erfreute die Anwesenden durch den gesanglich vorzüglichen Vortrag des Liedes „Wohlauf noch getrunken den funkelnden Wein“, womit er reichen Beifall erntete.
In späterer Stunde rückte man näher zusammen und hielt eine „Nachfeier der Nachfeier“ ab, die sich ziemlich lange ausdehnte. Die letzten Stunden waren so gemütlich und so anregend, dass verschiedene Herren den letzten Zug der Bahn ruhig abfahren ließen, um später auf Schusters Rappen heimwärts nach Moers zu pilgern.
Wenn wir so ungefähr alles erwähnt haben, wollen wir auch nicht der Damen vergessen, die durch ihre Anwesenheit das schöne Doppelfest harmonisch verschönern geholfen haben. Mehrere Toaste wurden auf sie ausgebracht, speziell gedachte man auch der Frau Rektor Ködding in einem dreifachen Hoch, in das die Anwesenden gern und kräftig einstimmten.
Lieferanten an der neuen Schule waren: Fohlen, Dachdeckerarbeiten, Wilhelm Boschmann, Heerbann und Reifen, Schreinerarbeiten, Peter Boschmann, Erdund Maurerarbeiten, Habben u. Co., Niederdruck-Dampfheizung, Küppers, Uhrenanlage, Geni in Krefeld, Abortanlagen, Wreden in Homberg, Eisenbetonkonstruktion, Karl Schultze, Linoleum, Schulte in Oestrich, Korkestrich, Hermann Meyer, Installationsarbeiten, Regengitter, Schlosserarbeiten, Ed. Janssen, Anstreicherarbeiten.
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Aus der Moerser Tageszeitung „DorfChronik und Grafschafter“ 1908